Das Lebensniveau von Familien mit unterschiedlicher Kinderzahl (Fh 2017/1)

nach einer Tabelle des Deutschen Familienverbandes – Pressemeldung des DFV vom 17.01.2017

Der Vergleich zeigt Ehepaare mit null bis fünf Kindern mit einem durchschnittlichen Alleinverdienereinkommen von ca. 35.000,- Euro/ Jahr (für 2017). Der andere Partner arbeitet nicht (beim kinderlosen Ehepaar) bzw. leistet Erziehungsarbeit durch Betreuung der Kinder. Verglichen wird das der Familie zur freien Verfügung stehende Einkommen nach Abzug des steuerrechtlich festgelegten Existenzminimums. Das Ergebnis zeigt, dass schon bei zwei Kindern der Familie weniger Geld zur freien Verfügung bleibt als dem Existenzminimum entspricht. Das betrifft also alle Familien mit mehr als einem Kind, soweit sie über ein Durchschnittseinkommen oder weniger verfügen.

Im wirklichen Leben fallen die Minusbeträge nicht unbedingt als Schulden an. Vielmehr richten sich die Familien meist auf einem niedrigeren Lebensniveau ein, als dem gesetzlichen Existenzminimum entspricht. Trotzdem ist es ein Skandal, dass in unserem angeblichen Sozialstaat den Familien mit mehr als einem Kind kein Leben über dem Existenzminimum zugestanden wird.

Allerdings ist die Ungerechtigkeit gegenüber Familien noch viel größer als in der Tabelle zum Ausdruck kommt. Bei den 6 Ehepaaren ist ja nur der Aufwand für Erwerbsarbeit gleich. Zum Gesamtarbeitsaufwand gehört aber auch die Erziehungsarbeit. Diese reicht vom Wert Null bis zu einem Umfang, der bei fünf Kindern deutlich über eine 40-Stunden-Woche hinausgeht. Damit steigt der Gesamtarbeitsaufwand je nach Kinderzahl bis auf mehr als das Doppelte. Das finanzielle Defizit der Familie wird also größer, je mehr in der Familie gearbeitet wird. Wird das berücksichtigt, zeigt die Tabelle nicht nur die mit der Kinderzahl steigende Armut der Familien, sondern charakterisiert auch die Leistungsfeindlichkeit unserer Gesellschaft.

Dieser Missstand ist nicht etwa ein „Schicksal“ der Eltern, das diese mit „Opferbereitschaft“ hinzunehmen haben, wie namentlich von konservativer Seite oft behauptet wird. Er ist vielmehr ein Ergebnis unseres Sozialrechts, also eines Regelwerks, das eigentlich Armut vermeiden sollte, aber heute sogar die wichtigste Ursache der gegenwärtigen Kinder- und Elternarmut ist. Der grundlegende Denkfehler, der zu dieser Fehlentwicklung geführt hat, besteht in einem falschen Verständnis des Arbeitsbegriffs. Als „Arbeit“ gilt nur das, was unmittelbar zu einem Einkommen führt. Unbeachtet bleibt, dass auch die Erziehungsarbeit zu Einkommen führt, allerdings im Gegensatz zum Erwerbseinkommen mit zeitlicher Verzögerung. Die Erziehungsarbeit war für die Mehrheit der Menschen immer die Grundlage der Altersversorgung und ist es bis heute. Geändert hat sich nur, dass die Eltern früher nur ihre eigene Altersversorgung erarbeiteten, während sie das heute aufgrund unseres Rentenrechts für alle tun müssen. Diese Dienstleistung für die Gesamtgesellschaft rechtfertigt und verlangt eine angemessene Gegenleistung in Form sowohl einer entsprechenden Rentenanwartschaft als auch eines Entgelts während der Erziehungsphase. Die Diffamierung der heute zugestandenen mickrigen „Mütterrente“ als „versicherungsfremde Leistung“ ist geradezu absurd. Der 5. Familienbericht nannte unser System eine „strukturelle Rücksichtslosigkeit gegenüber Familien“ (S. 20, 21). Der Staatsrechtler Dieter Suhr nennt es „Transferausbeutung der Eltern“.

Verhängnisvoll ist, das dieser „Denkfehler“ (schon vor Jahrzehnten nannte der Sozialrechtler Oswald von Nell-Breuning das so) von allen in der Politik einflussreichen Denkschulen gemeinsam gemacht wird. Zum Zeitpunkt der Rentenreform 1957 wurde die Sozialpolitik noch fast ausschließlich von Männern bestimmt, die als Vertreter konservativer, neoliberaler und marxistischer Denkweisen die überwiegend von Frauen geleistete Erziehungsarbeit unterbewerteten. Erstaunlich ist aber, dass dieser entscheidende Denkfehler dann auch vom gängigen Feminismus kritiklos übernommen wurde, der allein die Gleichstellung im Erwerbsleben zur Voraussetzung für die Gleichberechtigung der Frau erklärte. Dabei blieben nicht erwerbstätige Mütter und gegebenenfalls auch Väter von der Gleichberechtigung ausgeschlossen. Das bedeutet eine klare Diskriminierung der Eltern.

Was ist die Ursache für das Schwinden des frei verfügbaren Einkommens mit steigender Kinderzahl?

Ursache ist die Nichtbeachtung der Wertschöpfung der elterlichen Erziehungsarbeit. Der entscheidende Eingriff zu Lasten der Familien erfolgte durch die Bindung des Rentenanspruchs an Erwerbsarbeit, die den Zusammenhang zwischen Kindererziehug und Altersversorgung löste und einer Enteignung der Eltern gleichkommt. Folgen sind Kinder- und Elternarmut, schwindender Kinderwunsch, Veränderung von Wertvorstellungen, Vernachlässigung des Kindeswohls und schließlich auch die Aushöhlung des bestehenden Rentenrechts mit ebenfalls zunehmender Altersarmut.

Die Tabelle würde ganz anders aussehen, wenn sich kinderlose Ehepaare und Eltern mit einem Kind ihre Rentenansprüche voll bzw. teilweise selbst finanzieren müssten, statt sich auf die Kinder der Mehr-Kind-Eltern zu verlassen. Die dafür erforderlichen Sozialabgaben würden ihr verfügbares Einkommen mindern. MehrKind-Eltern würden dagegen wegen geringerer Abgaben entlastet. Es gäbe damit eine deutliche Verschiebung zu mehr Gleichgewicht.

Horizontaler Vergleich 2017

Quelle: Deutscher Familienverband, Pressemitteilung vom 17. Januar 2017
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