Das Erziehungsgehalt – Schlussstein eines realen Feminismus (Fh 2013/2)

von Gertrud Martin

Mit der Diskussion um verbindliche Frauenquoten in den Führungsetagen der Wirtschaft erleben wir eine weitere Fein­justierung der Ziele einer Bewegung zur Gleichberechtigung der Frauen, die in den vergangenen hundert Jahren einen beispiellosen Siegeszug zu verzeichnen hatte. Es ist zweifellos viel erreicht worden für die Frauen, angefangen mit der Einführung des Wahlrechts (1919) bis hin zur eigenständigen Entscheidung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, wofür bis Mitte 1958 die Unterschrift des Ehemannes notwendig war, der das Arbeitsverhältnis auch jederzeit wieder beenden konnte.(1) Für uns Heutige sind die einstigen Verhältnisse so wenig vorstellbar, dass wir die Errungenschaften des Feminismus nahezu für selbstverständlich halten.

Eine Grundforderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau ist die Idee, dass jedes Individuum in der Lage sein muss, durch eigener Hände Arbeit seine materielle Existenz und die persönliche Unabhängigkeit von einem Ernährer zu „erwerben“. Diese Forderung hat auch für Ehefrauen und Mütter uneingeschränkt zu gelten! Niemand kann hinter diese Forderung zurück. Auch wir vom Verband Familienarbeit wollen das nicht. Wir kämpfen für die Vervollkommnung der Idee!

Hier nun scheiden sich die Geister: Der gängige Feminismus, der seinen Ursprung im klassenkämpferischen Kommunismus hat, sieht die Gleichberechtigung nur dann als realisierbar an, wenn die Frauen an den traditionell den Männern zugeordneten Erwerbsarbeitsplätzen in Konkurrenz treten. Der unentgeltlich zu besetzende Arbeitsplatz Familie wird dabei als nicht relevant angesehen und soll einfach verschwinden, gemäß dem Diktum der Herren Karl Marx und Friedrich Engels (auszugsweise): „Gleicher Arbeitszwang für alle Mitglieder der Gesellschaft bis zur vollständigen Aufhebung des Privateigentums“(2) oder: „Erziehung sämtlicher Kinder, von dem Augenblick an, wo sie der mütterlichen Pflege entbehren können, in Nationalanstalten und auf Nationalkosten. Erziehung und Fabrikation zusammen.“(3) Die unentgeltlich zu leistende Familienarbeit wurde als unterdrückerisch empfunden, als eines freien Menschen unwürdig. Adenauers Rentenreform von 1957 verschaffte diesem Empfinden die wirkliche Grundlage, indem die Sicherung eines Alterseinkommens allein an die Erwerbsarbeit gekoppelt wurde, während die Schaffung der Existenzgrundlage für dieses System, nämlich die Erziehung des Nachwuchses, keine Anerkennung erfuhr. Mütter werden auch nach zwei Reformen mit einer Almosenrente abgespeist, während ihre Kinder vorzugsweise die Rente von Menschen finanzieren, die selbst keine Kinder erzogen und deshalb keine Lücken in ihrer Erwerbsbiografie haben.
Seit Erfindung der „Pille“ und dem zwar nicht juristisch, aber faktisch bestehenden „Recht auf Abtreibung“ ist die Entscheidung einer Frau, wie sie ihr Leben zwischen Erwerbs- und Familienarbeit gestalten will, ganz in ihre Hand gegeben – wenn von den wirtschaftlich gegebenen Zwängen abgesehen wird. Kinder zu haben, ist quasi ein Hobby oder ein Luxus geworden, das/den man sich leistet oder eben auch nicht.

Die Politik versäumt es indessen völlig, ihrer Verpflichtung, nämlich der Zukunftssicherung für Staat und Gesellschaft, Rechnung zu tragen. Um dieser Verpflichtung gerecht zu werden, ist die Einführung eines Erziehungsgehaltes unabdingbar.

Die viel gepriesene „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ läuft sehr absehbar darauf hinaus, möglichst beide Eltern als Vollzeit-Erwerbstätige zu gewinnen, während die Kinder in Vollzeit staatlich betreut und erzogen werden. Die einseitige staatliche Finanzierung der außerhäuslichen Betreuungsangebote funktioniert nach dem Motto: „Vogel friss oder stirb“ und lässt den Eltern keine Wahlfreiheit, die Erziehung ihrer Kinder selbst zu übernehmen, obwohl der Staat laut Grundgesetz verpflichtet ist, diese echte Wahlfreiheit zu garantieren.(4) Eine Teilzeit-Stelle bringt einen entsprechenden Teil-Lohn. Solange der zugehörige zweite Teilzeit-Arbeitsplatz in der Familie nicht als solcher anerkannt und honoriert wird, sind die „familienfreundlichen Arbeitszeitmodelle“ reine Rhetorik. Die Manager werden im Dienst der Renditemaximierung für ihren Betrieb auch die „Familienfreundlichkeit“ immer in deren Dienst stellen. Die Bestrebungen, Männer für die schlecht bezahlten, traditionell den Frauen zugewiesenen Arbeitsplätze oder gar für den unbezahlten Arbeitsplatz Familie zu gewinnen, werden – außer vielleicht bei einigen Idealisten – wenig erfolgreich sein.
Fazit: Die wirkliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht und fällt mit der finanziellen Anerkennung der Familienarbeit durch ein Erziehungsgehalt. Beide Arbeitsbereiche sind dann gleichwertige Säulen innerhalb des Systems.

Es liegt auf der Hand, dass auch die Idee der Gleichberechtigung der Geschlechter nur über ein Erziehungsgehalt definitiv zu realisieren sein wird. Familienarbeit ist ebenso wichtig wie Erwerbsarbeit. Die Alternative, auf deren Linie unsere Gesellschaft derzeit wild entschlossen voranstrebt, ist die Abschaffung der Familie. Eben noch galt die Familie als „Keimzelle“ des Staates. Jetzt ist Familie angeblich „dort, wo Kinder sind“, vorzugsweise also in der Kita.

Zugegeben: Das Erziehungsgehalt ist ein sehr dickes zu bohrendes Brett. Die Kurzsichtigkeit der Politiker/innen und der von einem einseitig argumentierenden Feminismus beeinflussten Gesellschaft bei der Bewertung der Familienarbeit ließ sich sehr schön an dem unsäglichen Streit um das Betreuungsgeld beobachten. Eine deutliche Sprache sprechen auch die Wahlprogramme der etablierten Parteien. Sinngemäß formulieren sie, die beste Absicherung gegen Familien- und Altersarmut sei eine umfassende Erwerbsarbeit. Der Gedanke, dass elterliche Sorge für Kinder eine gleichwertige – und, weil gesellschaftlich unentbehrlich, auch zu honorierende – Arbeit sei, liegt jenseits ihres Tellerrands.

Jahrelang wurde unsere Forderung eines Erziehungsgehalts mit der Frage nach der Finanzierbarkeit abgeblockt. Heute stehen plötzlich Milliarden zur Verfügung, um einen bisher privat in der Familie geleisteten Dienst zu verstaatlichen (unter tatkräftiger Mitwirkung der freiheitsliebenden FDP!). Wir verstreuen unser Geld in der ganzen Welt, und wir diskutieren ein Bedingungsloses Grundeinkommen fürs Nichtstun. Sollten wir nicht zuerst die elterliche Erziehungsarbeit durch ein Erziehungsgehalt würdigen und damit unsere Zukunft sichern?

Fußnoten:
1) Monika Bunte: Unser Grundgesetz ist 60 geworden. In: Familienarbeit heute 3/2009, S. 6ff. Zitat (S. 6): „Für die Aufnahme einer Erwerbsarbeit war bis Mitte 1958 die Zustimmung des Ehemannes erforderlich. Er konnte den Arbeitsvertrag der Frau fristlos kündigen. Ab dem 1. Juli 1958 konnte er das nicht mehr, aber die Ehefrau brauchte seine Billigung und sein Einverständnis, denn der Mann konnte die Pflichtverletzung bei der Haushaltführung als Scheidungsgrund benennen. Im Scheidungsrecht galt bis 1977 das Schuld­prinzip.“
Dazu die Gesetzestexte aus dem BGB a.F. (Bürgerliches Gesetzbuch alte Folge), zitiert nach: http://lexetius.com/BGB/Inhalt:
§ 1354. (gültig vom 1. Januar 1900 bis 1. Juli 1958)
(1) Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung.
(2) Die Frau ist nicht verpflichtet, der Entscheidung des Mannes Folge zu leisten, wenn sich die Entscheidung als Mißbrauch seines Rechtes darstellt.
§ 1358. (gültig vom 1. Januar 1900 bis 1. Juli 1958)
(1) [1] Hat sich die Frau einem Dritten gegenüber zu einer von ihr in Person zu bewirkenden Leistung verpflichtet, so kann der Mann das Rechtsverhältniß ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn er auf seinen Antrag von dem Vormundschaftsgerichte dazu ermächtigt worden ist. [2] Das Vormundschaftsgericht hat die Ermächtigung zu ertheilen, wenn sich ergiebt, daß die Thätigkeit der Frau die ehelichen Interessen beeinträchtigt.
(2) [1] Das Kündigungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Mann der Verpflichtung zugestimmt hat oder seine Zustimmung auf Antrag der Frau durch das Vormundschaftsgericht ersetzt worden ist. […]
§ 1356. (gültig vom 1. Juli 1958 bis 1. Juli 1977)
(1) [1] Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. [2] Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.
(2) Jeder Ehegatte ist verpflichtet, im Beruf oder Geschäft des anderen Ehegatten mitzuarbeiten, soweit dies nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist.

2) Friedrich Engels in: „Die Grundsätze des Kommunismus“ 1847. Marx-Engels Werke, Band 4, Seite 361-380; Dietz Verlag Berlin, 1974.
3) Ebd. Siehe auch Beitrag unten: Lenin: Die erniedrigte Haussklavin im Heldentum der Arbeiter.
4) Beschluss des ersten Senats vom 17. Jan. 1957 (BVerfGE 6, 55 <81>): Zitat: „Wie bereits oben dargelegt, ist Art. 6 Abs. 1 GG im Sinne der klassischen Grundrechte ein Bekenntnis zur Freiheit der spezifischen Privatsphäre für Ehe und Familie; es entspricht damit einer Leitidee unserer Verfassung, nämlich der grundsätzlichen Begrenztheit aller öffentlichen Gewalt in ihrer Einwirkungsmöglichkeit auf das freie Individuum. Aus diesem Gedanken folgt allgemein die Anerkennung einer Sphäre privater Lebensgestaltung.“

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