Gehalt für Familienarbeit – Lösung oder volkswirtschaftlicher Unsinn? (Fh 2003/1)

Ein Beitrag von Hans Ludwig

Mit 7,9 Millionen „Familien-AG“s“ und zusätzlichen 3,5 Millionen
außerhäuslichen Arbeitsplätzen zur wirklichen Effizienz unserer Wirtschaft

Im Folgenden wird das Projekt MAKSIME (makro-ökonomische Simulation der Wirkungen eines zusätzlichen Erziehungseinkommens) vorgestellt, das im Jahre 2001 von der KEB im Kreis Saarlouis beim Bonner Zentrum für angewandte Wirtschaftsforschung (ZAW) in Auftrag gegeben und nun als Buch veröffentlicht wurde.(1)
In diesem Jahr sind zwei weitere Publikationen erschienen, die das Projekt „Erziehungseinkommen“ in ein hoffentlich öffentliches und politisches Gespräch, jedenfalls in die wissenschaftliche Diskussion bringen:

Angelika Krebs mit ihrer philosophischen Untersuchung zum Thema „Arbeit und Liebe“, in der sie aus philosophischer Sicht die gesellschaftlich-ökonomische Anerkennung und die monetäre Entlohnung der Familienarbeit fordert und sich kritisch mit den gängigen dagegen vorgebrachten Einwänden auseinandersetzt.(2)

Die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Unternehmer (AEU) hat ihre Studie „Zukunftsperspektive Familie und Wirtschaft; Vom Wert von Familie für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft“ veröffentlicht, in der insbesondere zwei große Persönlichkeiten sozusagen ihr Lebenswerk in der Frage der gleichwertigen Anerkennung der Familienarbeit noch einmal zusammengefasst haben: Prof. Rosemarie von Schweitzer, Gießen, sie war auch 1995 Vorsitzende der Wissenschaftlichen Kommission für den fünften Familienbericht der Bundesregierung und Prof. Hans-Günter Krüsselberg, Marburg, dem wir u a. die wissenschaftliche Vorbereitung der Zeitverwendungsstudien verdanken, mit deren Hilfe wir die Leistungen der Familien heute objektiv darstellen können.(3)

Alle diese Arbeiten bewegen sich im Rahmen des Konsenses des Wissenschaftlichen Beirates für Familienfragen, der seit vielen Jahren alle familienpolitischen Aktivitäten daran misst, ob sie zwei Grundprinzipien der Gerechtigkeit genügen:

– Dem Prinzip der Gleichwertigkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit,
– Dem Prinzip der Vereinbarkeit von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit.
Beide Prinzipien werden vom Beirat als gleichrangig angesehen. Daher seien durchgängig folgende Anforderungen an die Familienpolitik zu stellen: „Durch familienpolitische Maßnahmen (muss) versucht werden zu erreichen,
– dass die Familientätigkeit als eine der Erwerbstätigkeit gleichwertige Tätigkeit gelten kann;
– dass die in den Familien beobachtbare Tendenz, die Familientätigkeit der Frau zuzuweisen, reduziert wird,
– dass sich die Fälle, in denen allein aus finanziellen Gründen Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit kombiniert werden, vermindern lassen,
– dass zumindest für die Frau die geltende Doppelbelastung von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit, sofern beide Ehepartner erwerbstätig bleiben, zurückgenommen wird,
– dass allein Erziehende nicht allein aus finanziellen Gründen gezwungen sind, Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit nebeneinander aufrechtzuerhalten.(4)

Diesen Kriterien, wie auch der verbindlichen Aussage des BVerfG im Trümmerfrauenurteil: „Von nun an, d. h. mit dem Jahr 1992 beginnend, sei der Gesetzgeber bei jedem Reformschritt veranlasst sicherzustellen, dass die Benachteiligung der Familien tatsächlich verringert wird“,5 käme das Projekt, würde es eingeführt, entgegen.

Und wenn dann die ca. 60 % der erwerbstätigen Männer, die unterdurchschnittlich verdienen, in die Familienarbeit drängen, kommt es endlich zu dem Kampf um den „Arbeitsplatz Kind“, den Prof. Zulehner kürzlich gefordert hat.

Bei Angelika Krebs kann man in fast schon polemischen Formulierungen die Begründung nachlesen: „In einer Arbeitsgesellschaft tangiert die Nichtanerkennung von Familienarbeit die Menschenwürde. Die Lohnforderung für Familienarbeit ist ein Gebot des Anstandes und nicht nur der Verteilungsgerechtigkeit.“ Sie setzt sich aber auch sehr konsequent und sehr überzeugend mit denen auseinander, die eine Pervertierung der Liebe durch das Eindringen des ökonomischen Do-ut-des-Denkens (ich gebe, damit du gibst) in persönliche Nahbeziehungen vermuten. Als konstitutiv für den „Liebes-Aspekt“ realer Liebesbebeziehungen erachtet sie nicht so sehr das altruistische Füreinander, als das geteilte Miteinander, nicht so sehr das Tätigsein für den anderen als das Tätigsein mit dem anderen, nicht so sehr das Sich-Freuen an der Freude des anderen, als das Sich-Freuen mit dem anderen. An die Stelle eines altruistischen Liebesverständnisses lässt sie einen dialogischen Liebesbegriff treten. Und zitiert in diesem Zusammenhang Bertold Brecht: „Es ist unheimlich, in einem Land zu sein, wo Sie davon abhängen, ob einer so viel Nächstenliebe aufbringt, dass er Ihretwegen seine eigenen Interessen aufs Spiel setzt. Sie sind sicherer in einem Lande, wos keine Nächstenliebe braucht, damit Sie kuriert werden.“

Das Projekt Maksime rechnet auch für die Zukunft damit, dass sich das Beschäftigungsproblem nicht etwa demografisch auswächst, wie heute noch die meisten Politiker und die öffentliche Diskussion meinen, sondern das Problem der Massenarbeitslosigkeit gravierend zunehmen wird. So wird in einer Projektion errechnet, dass im Jahre 2040 bei einem unterstellten durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 1,5 % die Zahl der Arbeitslosen (registrierte und Stille Reserve zusammen) von 6.633 Tsd. auf 8.948 Tsd. steigt, wenn nichts Gravierendes geschieht.6

Die Vorgaben für die Simulation:
In jedem privaten Familienhaushalt, in dem mindestens ein Kind unter 15 Jahren zu versorgen ist, wird ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe eines durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens der Person ausbezahlt, die, sofern sie im erwerbsfähigen Alter ist, in diesem Haushalt tätig wird, und die nicht gleichzeitig anderswo gegen Entgelt arbeitet. Die Anschubfinanzierung erfolgt über Darlehen der öffentlichen Hand, die Rückführung aus den zusätzlichen Steuern und Sozialversicherungs-
beiträgen der 11,4 Mio zusätzlichen Arbeitsverhältnisse, der sonstigen Steuern aus dem gestiegenen Bruttoinlandsprodukt und nach Eintreten der Vollbeschäftigung aus den Einsparungen bei den fiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit.

Dabei wird unterstellt, dass im Bereich der öffentlichen Haushalte und den Sozialversicherungen keine zusätzlichen Leistungen entstehen bzw. soweit sie entstehen, diese durch Abbau anderer Leistungen kompensiert werden können.

Das Projekt wurde eingebettet in die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Jahre 1995 – 1999. D. h., es wurde simuliert, was mit unserer Volkswirtschaft in diesen Jahren geschehen wäre, wenn es das Projekt gegeben hätte. Dabei wurden zwei Varianten, sukzessiv auf fünf Jahre verteilt oder volle Einführung zu einem Zeitpunkt, unterschieden:

Den Wissenschaftlern war aufgegeben, weil die eigentliche Zielsetzung die Vollbeschäftigung sei, evtl. Einsparungen in den öffentlichen Kassen nicht zur Rückzahlung von Krediten einzusetzen, sondern für zusätzliche Leistungen im Bereich Kinderbetreuungseinrichtungen und Kindergeld vorzusehen. Nachdem nun aber mit 11,4 Mio Arbeitsverhältnissen eine überraschend hohe Wirkung auf Vollbeschäftigung hin erzielt wurde, kann auch früher mit dem Abbau der Anschub-Kredite begonnen werden, d. h. Einsparungen im Bereich der fiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit können früher vorgenommen werden.

Im Ergebnis würde eine solche Politik bei Wahrung der Stabilitätskriterien die gravierendsten ökonomischen Probleme heute und in Zukunft auf eine in jeder Weise befriedigende Weise lösen helfen. Die öffentlichen Haushalte und das herkömmliche soziale Sicherungssystem wären konsolidiert, Generationensolidarität, Familiengerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit auf den Weg gebracht und ein erweitertes sinnvolleres Verständnis von Wirtschaft im Sinne von Oswald von Nell-Breuning, „Wirtschaft als Mittelsystem zur Selbstverwirklichung des Menschen“ könnte sich durchsetzen.

Zumindest das von den beiden großen Kirchen angeregte „öffentliche Gespräch, welchen vorrangigen Zielen das wirtschaftliche und soziale Handeln verpflichtet sein muss und auf welchen Wegen diese Ziele am besten zu erreichen sind“ (7) sollte angesichts der gravierenden und sich verstärkenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr länger verweigert werden.

Die Ergebnisse kurzgefasst:
Bezogen auf die öffentlichen Haushalte insgesamt führt das Projekt im fünften Jahr zu Auszahlungen für das Erziehungseinkommen
in Höhe von – 379,2 Mrd. DM

Einnahmen in Form von Steuern entstehen zusätzlich in Höhe von + 197,0 Mrd. DM
Einnahmen in Form von Sozialbeiträgen von + 120,0 Mrd. DM
Der verbleibende Fehlbetrag von 62,2 Mrd. DM
könnte dann durch Einsparungen im Bereich der fiskalischen Kosten der
Arbeitslosigkeit u. a. von ca. + 100,0 Mrd. DM
überkomensiert werden, so dass Mehreinnahmen des Staates von 37,8 Mrd. DM
verbleiben, die dann zur Finanzierung zusätzlicher Transfers (z.B. Erhöhung des Kindergeldes) oder zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen eingesetzt werden können, wobei bei letzterer zu berücksichtigen ist, dass durch diesen Entzug von Mitteln auch wieder negative Effekte auf die Beschäftigung eintreten. Diese sind aber in einer hinnehmbaren Größenordnung.*

Fußnoten:
1) Elisabeth Jünemann, Hans Ludwig (Hrsg.), Vollbeschäftigung ist möglich!, Merzig 2002, mit Kurz- und Langfassung des von den Prof. Dr. Manfred Kiy und Dr. Reiner Clement so-
wie Dr. Bruno Kaltenborn und Jasmin Thome erstellten Gutachtens
2) Angelika Krebs, Arbeit und Liebe, Die philosophischen Grundlagen sozialer Gerech-
tigkeit, suhrkamp taschenbuch wissenschaft, Frankfurt 2002,
3) Krüsselberg/Reichmann (Hrsg.)
Zukunftsperspektive Familie und Wirtschaft, Grafschaft 2002,
4) Wissenschaftlicher Beirat für Fami-
lienfragen, Familie und Arbeitswelt, Stuttgart u. a. 1984, S. 209
5) hier zitiert nach Hans-Günter Krüsselberg, in Krüsselberg/Reichmann (Hrsg.),
Zukunftsperspektive Familie und Wirtschaft, Grafschaft 2002, Seite 429
6) Jünemann/Ludwig, a.a.O., Schaubild 5,
Seite 117.
7) Vgl. “ Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“, a.a.O. Ziff. 34
*Bitte beachten: Die Berechnungen erfolgten noch in DM.

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