Fremder Herd nur Goldes wert? Was ist Arbeit und wann darf sie bezahlt werden?

Ausgabe 2/1996

Familienfrau – das reduzierte Wesen
"Wir lassen nicht zu, daß Frauen auf ihre Rolle in der Familie reduziert werden", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer anläßlich des diesjährigen Internationalen Frauentages am 8. März.
Die Angst um die Reduzierung = Herabsetzung von Frauen ist allerdings im Zusammenhang mit der Bezahlung der häuslichen Pflege nach dem Pflegeversicherungsgesetz nicht laut geworden. Offensichtlich setzt nur Erziehung der eigenen Kinder herab, die häusliche Pflege dagegen nicht.

Wie anders kann es sonst verstanden werden, wenn eine ausreichende Versorgung mit Kindertagesstätten bzw. durch Tagesmütter gefordert wird, in denen wiederum Frauen familienähnliche Tätigkeiten, aber für fremde Kinder, ausüben.
Diese Aussage gewinnt auch an Bedeutung in der Diskussion um die angeblich "neuen" Arbeitsplätze im Haushalt. Von 500.000 bis zu einer Million ist da die Rede. Sie sollen über Sozialagenturen (Dienstleistungsanbieter) mit entsprechendem Personal besetzt werden und die Kosten zum Teil oder ganz steuerlich absetzbar sein.
Ob die vielen Arbeitsplätze wirklich entstehen, darf bezweifelt werden.
Auch zeigt sich deutlich, daß die jahrelangen Bemühungen, Männer zu mehr Mitarbeit in diesen Bereichen zu bewegen, nicht erfolgreich waren. Sie sind ihrer "Herabsetzung" aus dem Weg gegangen.
Die Arbeit ist schon da
Der größte Teil dieser Arbeit wird als Familienarbeit bisher schon erbracht, allerdings kostenlos. Hier müßte in erster Linie eine Bezahlung stattfinden, da Erziehung und Betreuung wichtige gesellschaftliche Arbeit ist.
Dort, wo Hausfrauen/Familienfrauen angeblich nicht arbeiten, sind plötzlich Tausende von "neuen" Arbeitsplätzen.
Erfreuliche Erkenntnisse!
Hörten wir doch bislang immer nur die bekannten Vereinbarkeitsparolen. Als ob das alles so nebenher zu erledigen sei; sozusagen "nur eine Frage der richtigen Organisation". Einerseits werden Familienfrauen als reduzierte Wesen bezeichnet, andererseits legen wir bei Fremdbetreuung in der Kindererziehung und der Altenpflege großen Wert auf familienähnliche Versorgung.
Um es klarzustellen, flächendeckende Kindergärten als familienergänzende Einrichtungen für alle Kinder sind wünschenswert. Bei der Entscheidung der sonstigen Betreuungsart muß den Eltern jedoch eine individuelle Wahlmöglichkeit bleiben, damit sie ihren Rechten und Pflichten aus Art. 6 Grundgesetz auch nachkommen können.
Wo ist der Unterschied?
Was machen nun die im privaten Haushalt angestellten Frauen (Männer bilden dabei nur Spurenelemente) anderes als Mütter und Väter, die Familienarbeit leisten?
Sicher, sie haben geregelte Arbeitszeit, Anspruch auf Feierabend und Urlaub. Ein großer Unterschied zu Vollzeiteltern. Aber sonst?
– Tagesmütter sorgen sich um die Kinder und die damit verbundene Betreuungszeit, weniger um hauswirtschaftliche Tätigkeiten.
– Haushaltshilfen machen überwiegend hauswirtschaftliche Arbeit, Kindererziehung findet eher am Rande statt.
– ErzieherInnen in Krippen und Horten wiederum leisten ausschließlich Erziehungsarbeit.
– Mütter und manche Väter dagegen leisten Kindererziehungs- und Haushaltsarbeit.
Aber wo ist der Unterschied, wenn das eine als Rollenfestschreibung und unbezahlbar gilt, das andere aber ein Erwerbsarbeitsplatz und bezahlbar sein soll?
Eine Erklärung erhielten wir vom parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion Rheinland-Pfalz, Franz Josef Bischel. Für ihn ist die aus "persönlichen Gründen gewählte Lebensform oder Lebensweise" in der Familie nicht gleichzusetzen oder zu vermischen mit den Aufwendungen und Leistungen der Beschäftigten in fremden Haushalten.
Warum wird dann von allen großen Parteien die Forderung nach staatlich subventionierten Krippenplätzen nicht mit dem gleichen Argument abgelehnt? Auch hier haben wir eine aus persönlichen Gründen gewählte Lebensform oder Lebensweise.
Keine Fronten
Um es klarzustellen, es sollen keine Fronten zwischen Frauen geschaffen werden, die ihre Kinder fremdbetreuen lassen möchten und denen, die ihre Kinder selbst erziehen möchten. Es geht um den Widerspruch bei den Argumenten und um die unterschiedliche politische Bewertung und Unterstützung.
– Mütter werden angeblich auf eine Rolle reduziert und festgeschrieben. Sie arbeiten nicht. Mütter werden lächerlich gemacht, wenn sie sich mit Erziehungsfragen befassen (die haben ja nur ein Thema: ihr Kind) und Fortbildung wird weder bezahlt noch können sie sie steuerlich geltend machen.
– Tagesmütter dagegen müssen mit öffentlichen Mitteln gefördert werden und arbeiten. Sie müssen qualifiziert werden (Fortbildung, Supervision)
Gemeinsam ist beiden, daß von ihnen gute Kindererziehungs – Arbeit verlangt wird.
Familienarbeit darf nicht länger eine Arbeit zweiter Wahl sein.
Die umfassende Anerkennung, finanzielle und soziale Absicherung dieser Arbeit ist für alle wichtig! Auch für die Entscheidung, Kindererziehung zu einem mehr oder weniger großen Teil zu delegieren, ist die Bewertung und Qualität der Arbeit von elementarer Bedeutung. Wenn ich Familienarbeit im Blick habe und als Gleichwertiges sehe, fallen meine Entscheidungen anders aus, als wenn ich es abwertend betrachte und versteckt halte.
Arbeit anerkannt
Uns geht es um die generelle Wahrnehmung der Arbeit, egal, ob in der eigenen Familie oder in fremder. Die fehlende Sozialversicherung bei Angestellten im Haushalt wird gesehen, bei Familienfrauen bedauerlicherweise nicht.
So findet der rheinlandpfälzische Ministerpräsident Kurt Beck unsere Forderung nach einem Gehalt für Familienarbeit einerseits "reizvoll", hält sie jedoch für unbezahlbar. Gleichzeitig befürwortet er die übernahme der Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge für Beschäftigte in privaten Haushalten durch den Staat. (Schreiben vom 29.2.96)
Wenn Familienarbeit von den Eltern selbst nicht geleistet wird – aus welchem Grund auch immer – so muß sie doch erbracht werden. Es treten soziale Dienste in Aktion (Jugendamt, Sozialamt, Gesundheitsamt). Pflegefamilien, Krippen- oder Hortplätze, Tagesmütter, Großeltern, Familienpflegerinnen werden gesucht.
Damit steht fest:
Familienarbeit ist Arbeit!
Grundsätzlich können wir über die Diskussion sehr froh sein. Sie beweist, daß sich Familie, Haushalt und Erwerbsarbeit nicht so einfach "vereinbaren" lassen.
Die Anerkennung der umfangreichen Arbeit haben wir nun, fehlt uns nur noch ihre finanzielle und soziale Absicherung.